Wallfahrtskloster Bornhofen


 

Einen Augenblick bitte ...

 

Die eigene Mitte finden

 

In nicht wenigen Texten des Neuen Testaments, in denen Jesus zu den Menschen spricht, meint er zuerst nicht die „Menge der Leute“, die, die dabei sind, sondern den Einzelnen, von dem er angesprochen wird: „Herr, ich möchte wieder sehen können!“ (Mk 10, 46-52). Den, der sich voller Hoffnung und Vertrauen Jesus zuwendet, nimmt er bei der Hand und führt ihn zu sich selbst: „Dein Glaube hat dir geholfen. Und der, der sogleich sehen konnte, folgte ihm auf dem Weg.“

In Joh 8, 2-11 sagt Jesus zu der Frau, die die Pharisäer und Schriftgelehrten zu ihm brachten: „Ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr.“ Jesus weigert sich, von Gott so zu sprechen wie die Gesetzeslehrer. Er beschreibt und nennt nicht Gesetze und Verbote, die sagen, was wir tun sollen, vielmehr gibt er uns in seinem Reden und Tun die Kraft, allen Verformungen auszuweichen und sein zu dürfen, was sich in uns selbst und auf ein Du und ein Wir hin entfaltet.

„Zur Freiheit seid ihr berufen... Lasst euch nicht wieder unter das knechtische Joch fangen“ (Gal 5,1 und 13). Nicht anders als in Freiheit entdecken wir den göttlichen Reichtum, der in uns liegt...  wir „verstehen“ die unsagbaren Sprachen zwischen Himmel und Erde und die Bilder in uns, die unsere Seele weit machen. Nur so ist es möglich, die eigene Mitte zu finden, selber zu sein und dem gemäß zu leben. 

 

Pater Dr. Roger Cicholaz OFM
(26.09.2007)