Gottes Abbild

   In den Texten des Neuen Testaments lesen wir, dass die Schriftgelehrten und Pharisäer Jesus nicht verstanden: Wichtiger als das Glück des Einzelnen war ihnen die äußere Ordnung und das, was die Gesetze vorgaben, die „Realität des Lebens“, die keinen Raum lässt für Visionen und Träume von einem neuen Anfang. Nicht um theoretische Überlegungen über Gott und die Welt oder abstrakte Entwürfe ging es Jesus, sondern um den konkreten Menschen mit seinen Erfahrungen und Gefühlen, Nöten und Ängsten, Tragödien und Hoffnungen.

   Wenn Jesus von Vertrauen und mehr Freiheit sprach, meinte er nicht unverbindliche Beliebigkeit oder irgendeine ferne Hoffnung, sondern den Mut, selber zu sein, andere Menschen nicht einzuengen und sie damit zu hindern, sie selbst zu werden. Zum Selbstsein und zum Glück anderer tragen wir gerade so viel bei, wie wir selber an Glück erworben haben. Gibt es von daher nicht die Pflicht, dass wir danach trachten, glücklich zu sein?

   Wenn es mehr und mehr gelingt, uns selber und die Menschen um uns so wahrzunehmen, dass sie als Gottes Abbild erscheinen, dann sind damit die wichtigen Fragen in unserem Leben beantwortet.

Pater Dr. Roger Cicholaz OFM

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Texte zur Rubrik "Einen Augenblick bitte..."
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